Latente Chancen – die Bedeutung von Netzwerken für Unternehmen und die interne Kommunikation

Eine differenzierte Betrachtung darüber, was Netzwerke für Unternehmen und die interne Kommunikation zu leisten imstande sind – und wo ihre Grenzen liegen.

Dass es unübersichtlicher geworden ist in der internen Kommunikationslandschaft, liegt nicht zuletzt an der Evolution interner Netzwerke. Sie sind als »Communities of Interest« häufig in digitale Plattformen des Unternehmens eingebunden und tauschen sich im Unterschied zu Projektteams ohne spezifischen Arbeitsauftrag aus. Für ihre Mitglieder sind solche Unternehmensnetzwerke insofern nützlich, als sie relevante Informationen bereitstellen, persönliche Verbindungen schaffen und Kontakte erhalten. Darüber hinaus erlauben diese Netzwerke auch eine schnelle Orientierung zu professionellen Fragen. Insgesamt sind sie jedoch durch schwache Verbindlichkeiten und informelle Kooperation gekennzeichnet. Ihr vorstechendes Charaktermerkmal ist Latenz: Die Aktivierung von Netzwerken durch Individuen ist im Wesentlichen opportunitätsgetrieben. Netzwerke in Unternehmen organisieren sich weitgehend selbstständig und agieren jenseits manifester Strategien. Wodurch schaffen sie einen Wertbeitrag für die Organisation? Zunächst: Wenn internen Netzwerken der digitale Raum innerhalb des Unternehmens verwehrt wird, dann diskutieren die Mitarbeitenden ihre Fachthemen auf externen Plattformen. Dies kann nicht im Interesse irgendeiner Organisation liegen. Und gerade weil Netzwerke ohne expliziten Auftrag wirken, verhandeln sie die Themen in der Regel mit höherer Authentizität und Glaubwürdigkeit als legitime Kommunikationsfunktionen. Anders als zum Beispiel die interne Kommunikationsabteilung zeichnen sie sich durch einen Überschuss von »unerwarteter Information« aus, die organisational weder geplant noch gefiltert ist, aber für das Unternehmen impulsgebend sein kann.

 

Netzwerke als Ressource

Der Mehrwert von fachlichen Netzwerken in Unternehmen besteht darin, dass sie nicht steuerbar sind. Ihr Eigensinn ist grundsätzlich eine Ressource, ihre Niedrigschwelligkeit muss man aushalten. Allerdings sollten sie auch nicht einfach ihren Eigenlogiken überlassen sein. Der Wertbeitrag von Netzwerken für Organisationen hängt einerseits davon ab, ob sie von der internen Kommunikationsabteilung hinreichend mit Input zu Marktentwicklungen und strategischen Fragen versorgt werden und sich damit nahe an den Interessen des Unternehmens bewegen können. Andererseits ist eine gewisse Durchlässigkeit von internen Themen nach außen notwendig. Nur so ist es den Mitgliedern interner Netzwerke möglich, sich auch extern produktiv auszutauschen und von dort wieder Anregungen ins Unternehmen hineinzutragen. Und noch wichtiger ist es, die Impulse aus den Netzwerken in der Organisation insgesamt systematisch fruchtbar zu machen. Zu klären ist: Für wen sind die Erkenntnisse des jeweiligen Netzwerks von Bedeutung? In welchem Prozess und mit welcher Frequenz sind sie zu übermitteln? Die Rolle der Internen Kommunikation demgegenüber ist sensibel: Wenn sie sich als »Managerin« des Netzwerks versteht, kann das leicht zu Reaktanzen führen. Stattdessen sollte die interne Kommunikationsabteilung eher zurückhaltend handeln, aber Orientierung anbieten und Informationsströme koordinieren.

 

Dynamik und Authentizität durch Influencer-Netzwerke

Anders gelagert sind aktive Influencer-Netzwerke, die im Sinne der Unternehmensmarke nach außen wie nach innen auftreten wollen. Ein prominentes Beispiel dafür ist das Corporate Influencer Network der Deutschen Telekom, dessen rund 150 aktive Mitglieder einen Onboarding-Prozess durchlaufen haben und offen für eine strategische Unterstützung durch die Interne Kommunikation sind. Dennoch folgen sie mit ihren Publikationen überwiegend persönlichen Themeninteressen. Bei der Telekom wird das Influencer-Netzwerk in der Kommunikation durch ein Kernteam begleitet, das für verschiedene Initiativen Anregungen gibt. Grundlage ist ein strategisches Leitbild, das die Ziele des Netzwerks in Bezug auf Unternehmenswahrnehmung, Markt und interne Öffentlichkeit verbindlich macht. Wichtig ist bei alledem: Diese Entwicklungen waren nicht aufgezwungen, sondern gingen in einem Bottom-up-Prozess vom internen Netzwerk selbst aus.

Interne Netzwerke sind durch ihre Lebhaftigkeit und Fluidität fähig, einem Mangel an Authentizität und Relevanz in der Regelkommunikation entgegenzuwirken. Sie können dazu beitragen, Prozesse zu beschleunigen, die Markenwahrnehmung zu stärken, den direkten Kundenservice zu verbessern oder Produktinnovationen zu unterstützen. Bei aller angestrebten Agilität hilft jedoch die Rückkopplung ins Unternehmen, und hierbei hat die Interne Kommunikation eine wichtige Funktion. Ebenso ist es möglich, dass sich Netzwerke jenseits der Unternehmensstrategie verselbstständigen, dass vertrauliche Informationen vorschnell geteilt werden oder dass die Beteiligten die Marke durch Übereifer mit ihrer Begeisterung in eine falsche Richtung positionieren. Darin mögen Risiken bestehen. Aber ohne Risiko gibt es keine Rendite, auch nicht in der Kommunikation.

Dieser Artikel ist Teil unseres Fachmagazins BEYOND. Die dreizehnte Ausgabe des Magazins gibt in Interviews, Fachbeiträgen und Best-Practice-Beispielen Anregungen zum Umgang mit Netzwerken und zu deren gezieltem Einsatz für das Unternehmen und die interne Kommunikation. Weitere Informationen zur BEYOND erhalten Sie hier.

Über den Autor

  • Dr. Jan Sass

    Dr. Jan Sass

    Lautenbach Sass
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    Dr. Jan Sass ist Partner von Lautenbach Sass, Unternehmensberater für Kommunikation in Frankfurt am Main, und Co-Leiter des Arbeitskreises „Kommunikationsteuerung und Wertschöpfung“ der DPRG.

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