Plan C – Der Weg aus der Sandwich-Falle

Content-Marketing ist das beherrschende Thema. In Workshops, auf Kongressen und in Beratungsterminen mit Agenturen bekommen Unternehmen Tipps und Hilfestellungen für die eigene Strategie. Dabei geht es vorrangig um das Gewinnen und Binden von Kunden. Ersetzt man „Kund*innen“ durch „Mitarbeiter*innen“, dann wird es eine spannende Aufgabe für die Branchenkommunikation eines Arbeitgeberverbandes.

  1. 1. Die Sandwich-Falle
  2. 2. Mitarbeiterkommunikation mit „Wir. Hier.“
  3. 3. Verbände brauchen gute Partner
  4. 4. Print oder Online?
  5. 5. Und der Erfolg?

1. Die Sandwich-Falle

Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist die drittgrößte Branche in Deutschland und trägt wesentlich zum Wohlstand im Land bei. Die Unternehmen zahlen gut und die Perspektiven sind erfreulich. Es gibt einige Gründe, in dieser Branche eine Ausbildung zu beginnen oder als Quereinsteiger*in dort anzufangen. Dennoch ist der Fachkräftemangel spürbar und das Arbeitgebermarketing in den Betrieben gefordert.

Und hier beginnt die Herausforderung: Wer sich auf Messen und Jobbörsen mit Schüler*innen über eine Ausbildung in der Chemie unterhält, spürt eine gewisse Ablehnung. Schlechte Erfahrungen mit Schulfächern wie Chemie oder Physik sind meist der Grund. Auch darüber hinaus verbinden nur sehr wenige Menschen mit „Chemie“ ein positives emotionales Erlebnis.

Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Betriebe sich in einer „Sandwich-Position“ befinden: Rohstoffe gehen in den Betrieb und Zwischenprodukte verlassen ihn. Wenige stellen Produkte für Endverbraucher her – wie Feuchttücher, Haushaltsreiniger oder Medikamente. Dies ist eine Falle für die Kommunikation. Chemie ist überall in unserem Leben zu finden. Doch überall ist auch nirgends. Es ist nicht greifbar. Der Mehrwert kann nur über Umwege erfolgen. Umwege wiederum bedeuten eine höhere Komplexität und damit potentiell Schwierigkeiten beim Verstehen der Botschaft.

 

2. Mitarbeiterkommunikation mit „Wir. Hier.“

Die Chemieverbände Rheinland-Pfalz haben mit dem Magazin „Wir. Hier.“ ein Projekt gestartet, um einen Weg aus der Sandwich-Falle zu finden. Das Produkt ist die Branche. Die Kund*innen sind die Mitarbeiter*innen. Aber auch potentielle Bewerber*innen sowie Multiplikator*innen, wie Politiker*innen und Lehrer*innen, sollen erreicht werden. Die Chemie-Unternehmen begegnen diesen Zielgruppen als faire Dialogpartner auf Augenhöhe.

Es gibt viele gute Errungenschaften in der Branche, die oftmals als selbstverständlich gesehen oder nicht verstanden werden. Das Magazin „Wir. Hier.“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Themen der Chemie so aufzubereiten, dass jeder sie verstehen kann.

So erzählen Menschen in den Betrieben ihre Geschichte. Es sind Betriebsrät*innen, Geschäftsführer*innen und Mitarbeiter*innen. Die Menschen erzählen, was sie antreibt und was sie an der Branche schätzen. Und sie berichten über ihre Produkte, an denen sie forschen und arbeiten, damit ein Mehrwert für die Gesellschaft entsteht: Für ein modernes Leben und mehr Umweltschutz. Die Geschichten sind Mosaik-Steine, die in der Summe ein stimmiges Bild ergeben. Damit wird die Chemie-Branche begreifbarer. Was sie tut. Wie sie hilft. Und was sie dafür braucht: Gute Standortbedingungen und ausgebildete Fachkräfte, die sich in der Chemie-Familie beruflich entfalten können.

Der Gedanke der Chemie-Familie folgt dem Postulat, dass Menschen Orientierung suchen. Besonders in unserer globa­len Welt scheint der Wunsch nach mehr regionaler Nähe zu steigen. Lokale Nachrichtenplatt­formen haben zugenommen und regionale Zeitungen sind erfolgreicher geworden. Zudem gilt damals wie heute, dass verlässliche Informationen wichtig sind: Klare Botschaften von einem klar erkennbaren Absender.

Auszug aus dem Magazin "Wir.Hier."

Auszug aus dem Magazin “Wir.Hier.”

 

3. Verbände brauchen gute Partner

Um ein solches Projekt umzusetzen, braucht es gute Partner. Der Verband agiert als Koordinator. Er wirkt an dem Redaktionsplan mit und verbindet die Redakteur*innen mit den Betrieben. Hier ist die Kenntnis des Verbandes über die eigenen Mitglieder wichtig. Nur so können geeignete Geschichten schnell und zielführend recherchiert werden.

Die operative Umsetzung erfolgt durch iW Medien in Köln. Dort setzt das Redaktionsteam die acht Ausgaben um: Die thematischen Schwerpunkte und die einzelnen Seiten wie „Mein Arbeitsplatz“, „Gesichter der Chemie“, „Zum Mitreden“ und „Made in Rheinland-Pfalz“. Der Redaktionsprozess und die Themenfindung orientieren sich dabei an dem Themen-Trichter von Script, der verschiedene Perspektiven berücksichtigt.

Die Redakteur*innen recherchieren in den Betrieben vor Ort. Dann stellt das Team die Seiten zusammen. Die letzte Freigabe vor dem Druck erfolgt durch den Verband. Und kurz darauf werden die gedruckten Ausgaben verteilt und die Artikel online veröffentlicht.

4. Print oder Online?

Diese Frage wird immer wieder diskutiert und jeder hat seine Über­zeugung in der Diskussion darüber, welches der bessere Weg sei. Doch ist im Zeitalter der Digitalisierung alles nur noch online? Ist Print verstaubt? Meine Antwort lautet: Es kommt darauf an! In der chemischen Industrie zeigt die demografische Analyse ein Durchschnittsalter von rund 44 Jahren. Diese Altersgruppe ist eher printaffin.

Zudem sollten die Berufsgruppen bei der Beantwortung der Verbreitungsfrage be­achtet werden. Beschäftigte in der Verwaltung haben eher einen Zugriff auf internetfähige Computer, als zum Beispiel die Kollegin­nen und Kollegen in der Produktion. Während die Mitarbeiter*innen in den klassischen Bürotätigkeiten digital erreicht werden können, ist Print für die Produktion das geeignete Medium, um Inhalte zu transportieren.

Wenn es eine Entschei­dung für Print gibt, dann ergeben sich daraus weitere Fragen nach Aussehen, Design, Auflage und Erscheinungsweise. Die Entscheidung für das Magazin „Wir. Hier.“ fiel auf ein Hybrid-Format: Es wurde klassisches Zeitungspapier verwendet, im nordischen Tabloid-Format. Die Grundüberlegung dabei ist, dass Mitarbeiter*innen in der Produktion eher zur Zeitung greifen, als zum Hochglanz-Magazin. Das Lesen der Zeitung ist gelernt. Das Design hingegen lehnt sich an Ma­gazine an und ist aufgeräumt. Durch die monothematische Seitenaufteilung können sich die Leser*innen auf den Beitrag konzentrieren. Der Le­sefluss wird nicht durch Zwischeninformationen, Nebentexte und Anzeigenhinweise gestört.

Inhaltlich wurde für das Chemie-Magazin „Wir. Hier.“ ein koope­rativer Ansatz gewählt. Dies bedeutet, dass die Stärken von Print und Online gleichermaßen genutzt werden sollen. Aktuelle Texte, Bilderslides und Videos finden online statt. Hintergrundberichte und Reportagen in Print.

5. Und der Erfolg?

Die Erfolgsmessung von Kommunikation ist eine Herausforderung. Die spannende Frage bei solchen Projekten ist daher: Wie wird der Erfolg gemessen? Die kurze Antwort: Es bleibt schwierig.

Bei der Print-Ausgabe gibt es die Gewissheit, dass nahezu alle Beschäftigten der Mitgliedsunternehmen der Chemieverbände Rheinland-Pfalz erreicht werden. Entweder wird die Zeitung im Einzelversand an die Person oder im Sammelversand in den Betrieb zugestellt. Was fehlt, ist das Wissen darüber, wie hoch die Zahl derer ist, die dieses Magazin lesen. Die Auswertung der Zugriffe auf die Online-Plattform gibt mir zwar Aufschluss darüber, wie hoch die Zugriffe und wie lang die Lesezeiten sind. Allerdings erfahre ich nicht, welchen Bezug die Nutzer*innen zur chemischen Industrie haben. Durch den Leserbeirat habe ich die Möglichkeit, qualitative Rückmeldungen zu bekommen und die Zielgruppe an der inhaltlichen Gestaltung teilhaben zu lassen. Alternativ zum Leserbeirat bietet sich eine Fokusgruppenanalyse an.

Und auch wenn durch viele Tools die Kennzahlen vorliegen, bleibt die Frage offen, wie ich diese interpretiere. Einen klassischen ROI (Return of Investment) gibt es bei Verbänden nicht. Und das Magazin ist sicherlich auch kein Super-Tool, um den Fachkräftemangel zu stoppen oder die Wirtschaftspolitik spürbar zu beeinflussen. Aber: Verbände vertreten Interessen und nutzen dafür verschiedene Instrumente. Eines ist das Magazin „Wir. Hier.“. Die Bewertung des Erfolges bemisst sich daher aus dem Zusammenspiel der Instrumente im Sinne des Verbandszieles.

Mit Blick in die Zukunft bleibt eine wichtige Aufgabe: Weiterhin die notwendige Relevanz für die Zielgruppe zu haben und in dem riesigen Angebot aus Informationen zu bestehen.

Autor

  • Tobias Göpel

    Chemieverbände Rheinland-Pfalz
    Kommunikation

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    Tobias Göpel verantwortet seit 2008 die Kommunikation der Chemieverbände Rheinland-Pfalz. Daneben erstellt er Konzepte, berät Unternehmen und führt Workshops durch. Sein Schwerpunkt liegt auf der finanziellen und personellen Umsetzbarkeit von Kommunikationsmaßnahmen durch kleine und mittlere Unternehmen.

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